AXA IM: Die Inflation ist nicht tot

In vielen Industrieländern steigen die Verbraucherpreise seit Jahrzehnten kaum noch. Oft heißt es, die Inflation sei tot – zumindest in den großen Volkswirtschaften. Die Teuerung in vielen großen Volkswirtschaften ist im historischen Vergleich tatsächlich sehr niedrig, und die Corona-Krise dürfte den Preisanstieg in nächster Zeit weiter dämpfen. „Wir sind aber der Meinung, dass die Inflation nicht tot ist. Vielleicht schläft sie 2020, aber mittelfristig wird sie zurückkehren, und das möglicherweise stärker, als wir es von den vergangenen Jahrzehnten gewohnt sind“, ist Jonathan Baltora, Head of Sovereign, Inflation und FX, AXA Investment Managers (AXA IM), überzeugt.

Argumente, die dafürsprechen, findet der Experte einige. Zum einen haben viele Regierungen auf die Krise mit nie da gewesenen Hilfspaketen reagiert, die zu enormen Haushaltsdefiziten führen werden. Und dann sind da noch die Wertpapierkäufe der Notenbanken, die ebenfalls alles Bisherige in den Schatten stellen. „Auch früher haben Notenbanken die Wirtschaft in Rezessionen mit Wertpapierkäufen gestützt, wenn auch in wesentlich geringerem Maße. Dieses Quantitative Easing hat die Inflation steigen lassen und zusätzlich für höhere Inflationserwartungen bei den Verbrauchern wie an den Finanzmärkten gesorgt“, so Baltora.

Das Quantitative Easing und die hohen Haushaltsdefizite, die finanziert werden müssen, sind aber nur zwei der Gründe, weshalb der Experte mittelfristig mit einem Inflationsanstieg rechnet. Denn auch die Globalisierung wird infolge der Corona-Krise immer mehr infrage gestellt. Durch sie und die Exporte der Niedriglohnländer in die Industrieländer blieb die Inflation in den meisten großen Volkswirtschaften niedrig. Nun befeuert die COVID-19-Krise aber die bereits zuvor vorherrschenden Tendenzen zum Protektionismus: Die Gesundheitssysteme vieler Industrieländer leiden unter Materialknappheit und Beschaffungsproblemen, ausgelöst durch Lockdowns in wichtigen Lieferländern wie China und den ostasiatischen Staaten. Große Industrieländer fürchten die Abhängigkeit von Importen, vor allem in systemrelevanten Sektoren.

Unterbrechungen der Lieferketten sind in einer eng vernetzten Welt ein großes Problem. Welche Auswirkungen sie haben können, zeigte die Nuklearkatastrophe in Fukushima 2011. Nach der Katastrophe, die vor allem die Automobilindustrie traf, stieg die Inflation bis Ende 2011 auf 3,2 Prozent in den USA[1] und 3,3 Prozent in der EU[2]. 2010 hatte die Teuerung gemessen an den Verbraucherpreisdaten der Weltbank nur 1,6 Prozent beziehungsweise 1,7 Prozent betragen. „Da die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die globalen Lieferketten 2020 besonders groß sind, ist das Risiko einer steigenden Inflation keineswegs von der Hand zu weisen“, so Baltora.

Auch wenn man davon ausgehen kann, dass die Inflation im Jahr 2020 nahe bei null Prozent liegen wird, bleiben die kombinierten Auswirkungen der QE-Maßnahmen und budgetären Stimulierungsmaßnahmen auf die Inflation demnach abzuwarten. „Die wirtschaftliche Erholung, die schließlich folgen wird, könnte zu einem erheblichen Inflationsdruck führen, wie dies nach der Großen Rezession 2008 oder nach der Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 der Fall war“, fährt der Experte fort. Deflation stellt für ihn aufgrund der enormen fiskalischen Impulse kein wesentliches mittelfristiges Risiko dar.

Laut Baltora müssten die Märkte bis zu einem gewissen Grad eine höhere Inflation einpreisen, da die derzeitigen Marktniveaus zu niedrig erscheinen. Genau deswegen könnte jetzt für Investoren ein guter Zeitpunkt sein, in inflationsindexierte Anleihen zu investieren. „In den vergangenen Jahren haben sich inflationsindexierte Anleihen im Umfeld von Quantitative Easing gut entwickelt. Wir gehen davon aus, dass inflationsindexierte Anleihen auch dieses Mal gut unterstützt sein sollten“, so der Experte. Dies sei zum Teil darauf zurückzuführen, dass Anleger in Zeiten von Unsicherheit nach defensiven Vermögenswerten suchen. Da inflationsindexierte Anleihen meist von Staaten und insbesondere von Staaten mit hohem Rating ausgegeben werden, fallen diese Anleihen in diese Kategorie. Darüber hinaus sind die meisten inflationsindexierten Anleihen in den QE-Paketen der Zentralbanken enthalten, was der Anlageklasse zusätzliche Liquiditätsunterstützung bietet.