Deutschland im Blick: Überschuss – ein Segen?

In seiner monatlichen Kolumne schreibt Achim Stranz, CIO, AXA Investment Managers, über die deutsche Wirtschaft. Diesen Monat: Überschuss – ein Segen?

Die deutsche Wirtschaft ist im letzten Jahr also gewachsen – und das um 0,6 Prozent. Schön, dass sie nicht geschrumpft ist und ‚gar‘ einen Basispunkt mehr angestiegen ist als die Bundesregierung letztlich noch erwartete. Aber Freudenschreie gibt es für eine Wirtschaft, die nur knapp über dem Nullwachstum bleibt, nicht.

Die Bundesregierung versucht optimistisch zu sein und spricht von 10 Jahren in Folge, in denen unsere Wirtschaft jetzt zugenommen hat.[1] Doch in den fünf Jahren vor 2019 war das Durchschnitts-BIP-Wachstum noch bei 2,0 Prozent gelegen. Und auch für 2020 geht die Bundesregierung nur von einem Zuwachs von 1,0 Prozent aus.

Die Weltwirtschaft leidet weiterhin an Protektionismus in der Handelspolitik, was sich gerade auf die deutsche Industrie negativ auswirkt. 2019 war es besonders die Industrie, die geschwächelt hat, und auch 2020 ist der Ausblick für den Sektor am wenigsten rosig.

Wieder mal Überschussweltmeister

Da hilft es auch wenig, 2019 wieder den Titel des Überschussweltmeisters inne zu haben. Und: Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss von 293 Milliarden US-Dollar ist fast 50 Prozent größer als der von Japan auf Rang zwei. Das könnte 2020 mehr Munition für Protektionisten wie Donald Trump und Co. geben – gerade weil die Vereinigten Staaten mit 490 Milliarden US-Dollar laut Ifo Institut im letzten Jahr weltweit das größte Leistungsbilanzdefizit hatten.[2]

Aber nicht nur Donald Trump kritisiert Deutschland für die hohen Überschüsse, auch der Internationale Währungsfonds und die EU-Kommission machen ihren Unmut über diese Zahlen klar. Die EU sieht höchstens sechs Prozent des BIPs als langfristig tragfähig – Deutschlands 2019 Wert entspricht 7,6 Prozent des BIPs.

Was bringt der Februar sonst?

Großbritannien ist jetzt raus, die EU einen Mitgliedsstaat kleiner. Das Coronavirus hat sich seit Dezember stark ausgebreitet und es wird jetzt schon über mögliche Auswirkungen auf die Chinesische und andere Wirtschaften spekuliert. Deutschland ist hier heute mehr anfällig als 2003 zur Zeit der SARS-Epidemie, so unser Chef-Ökonom Gilles Moëc,[3] da sich deutsche Exporte nach China, Hongkong, Taiwan und Süd-Korea heute auf rund vier Prozent des deutschen BIPs belaufen, im Vergleich zu 1,5 Prozent im Jahr 2003.

Valentinstag fällt dieses Jahr auch auf den Tag der BIP-Zahlen für das vierte Quartal, obwohl wir hier wenig Überraschungen erwarten. Zudem wird auf die ersten Stimmungsindikatoren für Wirtschaft und Verbraucher geschaut, sowie auf Spätindikatoren für die Industrie.